Was nach unserer Hochzeit geschah

Nachdem ihr alle abgereist wart, haben wir uns bemüht, die Essensreste zu verwerten. Leider hatten wir auch danach noch nicht frei. Zwar mußten wir uns nicht mehr um die Hochzeitsvorbreitungen kümmern, aber wir wollten vor unserer Abreise den VW-Transporter meiner Eltern noch über den TÜV bringen und verschiedene andere Dinge regeln.

Österreich

Dann düsten wir mit allerhand Sachen nach Siegen, und einen Tag später machten wir uns auf den Weg nach Österreich. Dort erwartete uns ein liebes amerikanisches Ehepaar, das uns per Telefax zur Hochzeit gratuliert und mitgeteilt hatte, daß sie noch im März 1996 Europa verlassen würden und sie nicht wüßten, wann wir uns wiedersehen könnten. Sie bedeuten uns recht viel, und so besuchten wir sie an ihrem letzten Tag in Österreich im Schloß Heroldeck am Millstätter See, dem Freizeit- und Schulungszentrum unserer Gemeinde. Auf dem Weg dorthin konnten wir noch kurz drei Freunde von mir besuchen, die leider nicht zur Hochzeit hatten kommen können. In Schloß Heroldeck blieben wir aber nur eine Nacht, da wir uns ein so teures Quartier auf die Dauer nicht leisten wollten, und fuhren am nächsten Tag weiter über den Wurzenpaß nach Slowenien, der von dort nur noch ca. 70km entfernt ist. Schloß Heroldeck ist übrigens offen für alle Freizeitgruppen und Gäste. Die Freizeittarife sind extrem günstig. Wir freuen uns schon auf die diesjährige Gemeindefreizeit dort.

Slowenien

Von einer Reise im Anschluß an die Gemeindefreizeit 1994 kannte ich den mit über 1600 Metern recht hohen Werschetz-Paß (Vrsic) in Slowenien, einen Nationalpark, den ich Melanie auf der Fahrt nach Kroatien zeigen wollte. Leider war der Paß bis zum 1. Mai wegen vier Metern Schneehöhe gesperrt. Auch in den Tälern lag Schnee, in dem wir dann --- wie sollte es anders sein? --- auch tatsächlich steckengeblieben sind. Da es bereits dunkel war und die Strecke sowieso nicht befahren werden konnte, nutzten wir das lauschige Plätzchen für die zweite Übernachtung unserer Hochzeitsreise. Am Morgen schoben wir das Auto aus dem Schnee, und ich mußte mich in dem Flüßchen wieder abkühlen (in ganzer Länge, versteht sich!). Vorher erklärte ich Melanie, daß gewisse Bären (Schwarzbären, gibt es nicht in Slovenien) mit ihren stabilen Krallen um die obere Kante von Autotüren greifen würden, um dann den oberen Teil der Tür mit der Scheibe einfach herunterzubiegen. Anlaß des erheiternden Gespräch waren die Bemühungen, einen Tatzenabdruck fotographisch festzuhalten, der größer als der Absatz meines Bundeswehrstiefels war.

Kroatien

Wir fuhren dann nach einigen Nebenstrecken und einem Ausflug zum Bohinsko Jezero (einem mitten in den Bergen gelegenen See) Richtung kroatische Küste und wollten uns ein Quartier besorgen. Wir fanden schließlich auch eines bei einer sehr netten Frau, die erstaunt war, so spät noch Besuch zu bekommen. Die Kriegsjahre und die winterliche Zeit ließen eigentlich keine Touristen vermuten. Wir schliefen fast königlich, obwohl wir nur ein Notquartier bekamen. Das Gespräch am Morgen vermittelte uns dann einen vagen Eindruck von dem, was uns auf unserer Fahrt nach Dubrovnik alles geschehen könnte. Die Fahrt führte an der stürmischen Küstenstraße entlang. Im Norden noch recht kalt, waren im Süden fast sommerliche Temperaturen, und die Vegetation war auch schon wesentlich reger. Auf der Hälfte der Strecke begegneten wir den ersten Kriegsschauplätzen, die Melanie sehr betroffen machten. Ich bin in ein zerstörtes Motel neben der ebenfalls seit ein paar Jahren zerstörten Maslenica Brücke hineingegangen. Man konnte erkennen, daß das Gebäude früher recht nobel gewesen sein muß. Jetzt aber prangten auf den Dächern die Buchstaben "UN" und alles war zerschossen. Die Zimmer waren vollständig ausgeräumt, Wasserhähne und Fliesen von Boden und Wänden, Fenster und Türen sowie anderes Inventar waren gestohlen worden. Danach fuhren wir über die provisorische Pontonbrücke über die Bucht nach Zadar. Viele Häuser in dieser Gegend waren beschädigt.

Dubrovnik

Im Halbdunkel trafen wir an einer Raststätte bayrische Soldaten mit Panzerwagen, die aus Mostar kamen und uns abrieten, dorthin zu fahren. Ich fuhr die gesamte Strecke bis Dubrovnik in dieser Nacht durch, so daß wir um zwei Uhr nachts eintrafen. Jetzt noch eine Unterkunft oder gar in der Nähe dieser Stadt ein unbeobachtetes Plätzchen zu finden, schien nahezu unmöglich. Vor allem fürchteten wir uns von der regulären Straße abzufahren, da überall noch Minen verborgen sein konnten. Wir wählten eine kleine Nebenstraße, die uns höher und höher führte, bis wir schließlich auf einer Festung hoch über Dubrovnik ankamen. Es war etwas beängstigend, dennoch schliefen wir nach einem kleinen Erkundungsgang ein.

Am Morgen wurden wir davon geweckt, daß militärisch aussehende Wagen (Renault 4) an uns vorbeifuhren. Jemand kam auch vorbei, fragte uns, wer wir seien ("Aha, Deutsche, gut, ok.!") und wies uns darauf hin, daß hier militärisches Gebiet sei. Ein weiterer Erkundungsgang, diesmal bei Tageslicht führte uns nahezu an die gleiche Stelle, an der wir in der Nacht gestanden hatten, nur wenige Zentimeter weiter. Da ertönte eine Dauerklingel, bis ein Soldat herauskam, uns als Deutsche identifizierte und Melanie bat, aus der Lichtschranke herauszutreten. Der Soldat bot uns in seinem Bunker selbstgebackenen Kuchen und auch Kaffee an, und wir hatten ein sehr nettes Gespräch miteinander, erfuhren viel über den Krieg und die jetzige Situation der Kroaten. Er gestattete uns auch, auf der Festung zu fotografieren --- wir hatten einen herrlichen Blick auf Dubrovnik und die Inseln vor der Stadt. Vor dem Krieg führte eine Seilbahn auf die Festung, und dort war eine Diskothek unter freiem Himmel. Heute liegt die Gondel zerschossen am Hang, und die Diskothek ist ein Trümmerhaufen, gespickt mit Granatsplittern und Munitionsresten. An diesem Tag fuhren wir noch näher an die (leider noch geschlossene) Grenze nach Montenegro und besichtigten Cavtat und auch die Altstadt von Dubrovnik. Dann fuhren wir (am gleichen Tag!) langsam wieder nach Norden. Am folgenden Tag, nach einer regulären Übernachtung in einem kleinen Ort an der Küste, fuhren wir auf Melanies Drängen nicht die Küstenstraße zurück, sondern durch das Inland über Knin in Richtung des angeblich wunderschönen Plitvice-Nationalpark. Diese Fahrt wurde recht abenteuerlich: wir gerieten in das bis vor einem Jahr von Serben besetzte Gebiet. Die Serben zerstörten beim Abzug alle Häuser oder plünderten sie völlig, ähnlich dem Motel auf dem Weg nach Zadar. In diesen Häusern waren keine Wasserhähne, keine Fliesen, keine Fenster und keine Türen mehr, und oft war das Dach abgebrannt. Mal schien die Sonne, dann goß es aus Eimern. Auf der, in Teilstrecken auffällig neuen, sonst aber mit Schlaglöchern gespickten Straße kamen wir an zahlreichen leichten Unfällen vorbei. Der doppelte Regenbogen, der vor dem Chaos zu sehen war, weckte die Sehnsucht, dieses schöne Land doch wieder in Frieden zu sehen.

Doch bald schon wurde es dämmerig, und wir kamen auf eine Art Hochplateau, auf dem es nun auch hagelte. Vor uns verdichtete sich der Verkehr, und wir überholten mehrere UN-LKW-Konvois. Diese Konvois von oft mehr als zehn schweren LKW fuhren selbst schon erstaunlich schnell, so daß das Überholen schwierig war. Schließlich begann es zu schneien. Irgendwann stellte Melanie fest, daß wir schon viel zu weit gefahren waren. Wir hatten den Abzweig nicht gesehen. Wir versuchten, uns über kleinere Straßen den Weg zurück zur Küste zu bahnen, wo wir wieder bei unserm ersten Quartier übernachten wollten. Aber von den auf der Karte verzeichneten Straßen waren einige versperrt, andere gab es gar nicht, wieder andere waren zu sehr verschneit, eine uns sehr günstig erscheinende Straße endete nach vielen Kilometern an einem verlassenen und zerschossenen Bahnhof, wo, wie im Western, Türen in den Angeln quietschten und drumherum nichts zu hören war. Wir versuchten noch mehr Möglichkeiten, fragten bei Polizeisperren. Und endlich, nachdem wir stundenlang an dunklen, verlassenen Dörfern vorbeigefahren waren, erschienen die ersten beleuchteten Häuser.

Rijeka

Spät trafen wir bei unserem Quartier ein, doch Katica, unsere Gastgeberin, hatte uns bei der Abfahrt gesagt, wir könnten klingeln, egal wann. Diesmal war sie auf uns vorbereitet, und wir bekamen eine "Suite"! Am nächsten Morgen berichteten wir Katica unsere Erlebnisse und bekamen weitere Informationen und Erklärungen. Auf dem Weg zurück nach Siegen schauten wir uns den atemberaubenden Vrsic-Paß von der anderen Seite an, vermieden aber das Steckenbleiben im je höher, je tieferen Schnee, düsten kurz durch ein Stück Italien, machten eine Schneeballschlacht am Obertauernpaß und ließen uns dort von österreichischen Polizisten anpflaumen, genossen auch den Katschbergpaß und waren schließlich gegen sieben Uhr morgens wieder in Siegen, damit Melanie sich am ersten April arbeitslos melden konnte.

© Copyright 1996 Melanie & Matthias Kasimir, Siegen